Wir stehen im Seequartier am Ostufer von Mariehamn. Genau am richtigen Ort also, wenn man etwas über die åländische Schifffahrt vergangener Zeiten erfahren möchte. Denn hier bemüht man sich um die Erhaltung von Segelschiffen – oder eher gesagt um den Erhalt des Wissens über Bau, Instandhaltung und Segelkunst.
Für die Entwicklung des Wohlstands in Åland hatten die Segelschiffe große Bedeutung. Einige Segelschiff-Fans erkannten den Wert dieses Wissens entschlossen sich, dieses zu erhalten. Auf diese Weise wurde nach und nach das Seeviertel aufgebaut, eine maritime Oase am Ostufer von Mariehamn.
„Der größte Schatz des Seeviertels ist das Segelschiff Albanus, das jetzt dem Schiffsverein Albanus gehört und vom Verein betrieben wird. Der Bau der Albanus war im Grund der Startschuss für das Seeviertel“, erklärt Kristian Öberg, Betriebsleiter des Schiffsvereins Albanus. Jetzt möchte man das Wissen, das es übers Segeln, über Schiffe und die See im Allgemeinen gibt, an kommende Generationen weitergeben. Die Lehrlinge aus der Jugendsparte des Schiffsverbands dürfen gegen ein sehr maßvolles Entgelt auf der Albanus mitsegeln. Sie müssen nur für die Verpflegung aufkommen. Auf diese Weise gelingt es, die jüngere Generation im wahrsten Sinne des Wortes ins Boot zu holen und so das Weiterleben des Vereins zu sichern. Der derzeitige Kapitän der Albanus begann als 12-jähriger als Lehrling und nutzte die Aufstiegsmöglichkeiten. Inzwischen ist er seit drei Jahren Kapitän der Albanus und auf dem Weg zu neuen Herausforderungen auf einem Schiff im Mittelmeer.“
„Die Albanus fungiert also als eine Art Schulschiff?“
„Betrachtet man andere Segelschiffe weltweit, ist das Konzept der Albanus ziemlich einmalig“, erklärt Öberg. Das Besondere liegt in der Mischung von kommerziellem und Ausbildungsbetrieb. Wir sind eine Art Robin Hood. Wir nehmen von den Reichen und geben den Armen. Der Überschuss kommt den Jugendlichen zugute. Es gab immer den Druck, dass wir den Großteil des Geldes, das wir benötigen, durch Segeltörns einfahren müssen, aber es gelingt uns. Und gerade dadurch ist die Albanus so einzigartig.
Die Albanus ist bereits seit 25 Saisons unterwegs. Planung und Bau begannen im Jahr 1986, die LKW kamen mit Holz für den Schiffsbau und luden einfach auf der grünen Wiese ab. Von da ab ging alles erstaunlich schnell. 1988 stach die Albanus in See. Das Ereignis zog damals eine der größten Menschenansammlungen an, die es hier auf Åland jemals gegeben hatte: 5000 Zuschauer. Seitdem lief der Betrieb. Am Konzept von damals hat sich bis heute im Prinzip nicht viel geändert.“
„Aber jetzt ist es Zeit für einen Wechsel?“
„Ja, die Albanus wurde gebaut, wie Segelschiffe früher gebaut wurden. Sie waren auf eine Lebensdauer von 10 bis 20 Jahren ausgelegt, die Albanus ist inzwischen seit 25 Jahren im Dienst. Die Wartung der Albanus, wie wir sie derzeit ausführen, ist auf lange Sicht wirtschaftlich nicht vertretbar. Deswegen haben wir uns im Schiffsverein für den Bau eines neuen Segelschiffs stark gemacht. Das neue Segelschiff, das nach seiner Vorlage den Namen Emilia tragen soll, wird sich nicht sonderlich von der Albanus unterscheiden. Der Unterschied liegt vor allem an der Anpassung an aktuelle Vorgaben der Behörde für Verkehrssicherheit. Es erhält eine andere Schraubenform. Außerdem eine andere Einteilung unter Deck, da das Schiff unter anderem wasserdichte Kammern aufweisen muss. Hierdurch wird das Schiff drei Meter länger und erhält auch etwas mehr Tiefgang.“
„Ist es nur die Größe, durch die sich die Emilia von der Albanus unterscheidet?“
„Die Emilia soll auch aus Umweltperspektive Nachhaltigkeit bieten. Das heißt, dass sie sicher nicht mit einem herkömmlichen Dieselmotor ausgestattet wird. An Bord wird möglicherweise größtenteils mit Windkraft vom Land aus geheizt. Für den Antrieb werden große Akkus verwendet.“
„Eine Mischung also zwischen Tradition und Hightech?“
„Die größte Herausforderung besteht darin, beurteilen zu können, wie die technische Entwicklung etwa in acht Jahren aussieht.“ Es wurde diskutiert, auf welche Weise Platz für zukünftige Technik freigehalten werden kann. Vermutlich kommt die Technik an Bord erst in den beiden letzten Jahren. Derzeit glauben wir, dass es rund 26 Kojen für Gäste geben wird, vielleicht werden manche aber künftiger Technik Platz machen müssen. Außerdem haben wir uns das Ziel gesetzt, das Schiff möglichst wartungsfreundlich zu gestalten. Die Albanus erfordert extrem viel Wartung. Das muss bei der Emilia anders werden.“
„Wie lange wird es dauern, ein so großes Segelschiff zu bauen?“
„Die glücklichste Zeit eines Segelschiffs ist seine Bauzeit. Es gibt keinen Grund, die Dinge zu übereilen. Der Bau soll eine öffentliche Angelegenheit sein, eine Touristenattraktion. Deswegen ist es wichtig, dass der Bau über einen längeren Zeitraum erfolgt. Voraussichtlich wird die Emilia 2023-24 zum ersten Mal in See stechen.“
Das darf ruhig seine Zeit dauern.
„So ähnlich wie Slow Beer, von der die åländische Brauerei Stallhagen spricht? Das darf ruhig seine Zeit dauern.“
„Ja, so ungefähr. Wir arbeiten mit Praktikanten und Lehrlingen, das müssen wir berücksichtigen. Sie sollen die Traditionen weiterführen können. Es geht auch um die Finanzierung, um Geld. Das Ziel ist, dass das Segelschiff schuldenfrei ist, wenn es vom Stapel geht.
Wir könnten natürlich auch ein Segelschiff in zwei Jahren bauen, auf diese Weise könnten wir aber die Tradition und das Wissen nicht auf breiter Front weitergeben. Wir hoffen, dass es ein sehr offener Bau wird. Ein Bau, der sehr präsent ist. Wir sind davon überzeugt, dass allein der Bau das gesamte Seeviertel noch lebendiger machen wird. Die Bauhalle steht schon bereit. Hierhin sollen die Leute gehen und sehen können, wie die Arbeit voranschreitet. Im Anschluss an den Schiffsbau werden auch einige kleinere Betriebe entstehen. Mit mehr Besuchern hoffen wir auf weitere Unternehmen und Handwerker wie beispielsweise die Handwerker bei SALT.
Das Seeviertel kann ein Ort werden, an dem Leute einfach gern verweilen. Darauf freue ich mich.“